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Denk Tank

Gehirnschlacke und Gedankenmüll von Roland Bart

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Hin und wieder muss es einfach sein: Eine Beobachtung löst einen Gedanken aus, der sich wie eine Wolke im Kopf verbreitet und sich nicht wieder verflüchtigt, bevor er nicht in irgendeiner Weise geäußert ist. Und ich denke viel. Eigentlich ständig. (Auch wenn ich nur sehr selten Zeit habe, diese Gedanken zu formulieren). Ich bin wie ein Besucher, ein Tourist von einem anderen Stern, der nicht anders kann als zu beobachten, nachzudenken und sich immer wieder aufs Neue über Alltäglichkeiten zu wundern, darüber, wie wir leben in unserem kleinen Biptop called Planet Earth. Und wer bin ich? Hab ich ja eben gesagt: Ein Tourist von einem anderen Stern.

Sonntag, September 04, 2011

Verbraucher sind Zombies...

…wenn sie nichts verbrauchen. Untote. So drastisch drückte das die Financial Times Deutschland aus. Aber auch in der taz las ich kürzlich, das Problem seien die amerikanischen Konsumenten, die nicht mehr genug konsumierten (und die Lösung höhere Löhne = mehr Geld für den Konsum).

Unumstößlich steht die Lehre vom unendlichen Wachstum. Ich erinnere mich ganz dunkel: Als ich zur Schule ging – lang ist’s her – war vom Ende des Wachstums die Rede. Die Ressourcen, so glaubte man damals, seien endlich und irgendwann aufgebraucht.

Um sie zu schonen, packten wir uns zu Viert in einen R4, wenn’s mal über’s Land zur Party ging. Im Studium teilte ich mir ein Auto mit den Mitbewohnern. Das bedeutete: Organisieren, feilschen, absprechen. Mühsam. Wir waren keine Grünen und keine Ökos, glaubten aber daran, dass Bewahren besser war als Verbrauchen.

Heute bekommt ein schwäbischer Ministerpräsident Ärger, wenn er öffentlich zu sagen wagt, weniger Autos seien besser als mehr. Stuttgart ist randvoll mit Autos. Rundum zugepflastert mit Straßen. Im Sommer dampft die Luft im Kessel von Asphalt und Auspuffabgasen, feinstaubgeschwängert. Aber weniger Autos?

Voller Hoffnung blicken wir nach China. Da wurden in den letzten Jahren 30 Millionen neue Autos zugelassen. Wir leben davon – das ist unser Export, das sind unsere Löhne.

Aufs Auto verzichten? Aber warum denn! Leonardo di Caprio ist das Vorbild: Er fährt einen Hyprid-Boliden. „Echt stark und schwer in Ordnung“ schreibt die Gala. Wenn „hyprid“ draufsteht, ist das „öko“, denn der Strom kommt ja aus der Steckdose. Und die andere Hälfte von hybrid wächst mit Sonnenenergie im ehemaligen brasilianischen Urwald.

Überhaupt öko. Das Siegel des guten Gewissens. Klebt bald auf jedem Computer, jedem Smartphone, jedem Fernseher – damit wir sie guten Gewissens entsorgen und neue kaufen können. Mein iPod ist bald fällig. Uralt - drei Jahre oder so. „Wegwerfen und neuen kauen“ meint der Gravis-Verkäufer, als ich nach einem neuen Aku frage, „nach vier Jahren sind die Dinger eh veraltet“.

Damals, in der Schule – lang ist’s her – rechnete irgendein grün angehauchter Lehrer uns vor, wieviel Erde umgewühlt, wieviel Wasser verbraucht und wieviel Öl verfeuert werden muss, um einen einzigen Computer zu bauen. Immense Mengen waren das. So rechnet heute niemand mehr. Es wird ja alles recycled. Auch so ein Gutes-Gewissen-Siegel.

Aber da steht’s ja: Zwei Seiten weiter in der Zeitung kommen sie mit Erderwärmung und Klimakatastrophe daher, mit Landfraß und Abholzung von Urwäldern. Ganz anderes Thema.

Montag, August 02, 2010

Inception

Ein Traum. Ich sitze in einem vollbesetzten Kinosaal, 500 Menschen starren gebannt auf eine Leinwand, auf der Menschen mit Maschinengewehren niedergemäht werden, Gewehrkolben in Gesichter krachen, Handgranaten in Schächten voller Männer explodieren. Halt: Das sind keine Männer, das sind Projektionen. Nicht meine, sondern die der Protagonisten im Film. Die sind es nämlich, die träumen. Projektionen darf man töten. Es gibt sie nämlich gar nicht.

Wir sehen das mit Faszination. Töten darf man das, was es nicht gibt - Projektionen und Filmfiguren zum Beispiel. Wir sind fasziniert von unseren eigenen Abgründen, die uns hier vorgeführt werden: "Wenn hier das Unterbewusstsein intelligenter Menschen aus Versatzstücken des Aggressionskinos besteht, dann werden dem Kinogänger seine Freuden als Einfalltor des Bösen schaurig gemacht", analysiert die Stuttgarter Zeitung messerscharf.

Irgendwo feuern in diesem Augenblick echte Männer mit Joysticks Raketen von ferngesteuerten Drohnen auf Objekte, die sich auf den Bildschirmen wie unscharfe Käfer ausmachen. Lautlos gehen sie in grauschwarzen Wolken auf. Projektionen. Nicht ganz: Es sind Feinde. "Insurgents". In der Sprache der Profis "moving objects". Sie zu vernichten, ist ihre Pflicht und Schuldigkeit. Töten muss man, was es nicht geben darf.

Wir im Kino wissen darum. Es rührt uns nicht an. Was uns rührt, das ist dieser Vater, der seine Familie verloren hat und alles dafür tut, sie zurück zu gewinnen. Auch töten. Das darf er, denn er hat a) ein starkes Motiv und b) Feinde, die Objektstatus besitzen.

Objekt, Projektion - ein einfaches Label genügt, damit wir nicht beunruhigt sind. Wir dürfen uns laben am Schlachten und Leiden des Helden, weil alles nur ein Traum ist. Wir sehen nicht, dass dieser Film eine bitterböse Allegorie auf die Wirklichkeit ist. Zu gut tarnt er sich als "bildstarke Hommage an die Illusionsmacht des Kinos (Spiegel online). Harmlos also.

Auf drei Traumebenen will das Kämpfen und Schlagen und Töten kein Ende nehmen. Es geht voran wie in Super-Zeitlupe. Bis endlich der Abspann kommt und fünfhundert Menschen applaudieren.

Ob sie gar doch "beunruhigt" sind, wie die Stuttgarter Zeitung vermutet? Ich glaube nicht. Mein Kumpel jedenfalls hat sich 90 Minuten lang prächtig unterhalten. Sagt er.

Mittwoch, April 07, 2010

Collateral Murder: Video zeigt Soldaten beim Töten von Zivilisten

Wer dieses Video gesehen hat, müsste eigentlich sofort alles dazu tun, dass mit unserer Billigung keine bewaffneten Einsätze mehr durchgeführt werden. Er müsste auch alles dafür tun, dass unsere (und dazu zähle ich die amerikanischen ebenso wie die deutschen oder französischen) jungen Männer nicht mehr zu Tötungsmaschinen abgerichtet werden.



Hintergrundinfos beim Spreeblick.

Montag, Oktober 19, 2009

Jungen Amerikaner zieht es in den Krieg...

könnte man meinen, wenn man in der Zeitung über den größten Zustrom an Nachwuchs zum Militär seit Abschaffung der Wehrpflicht im Jahr 1973 liest. Bill Carr, der stellvertretende Verteidigungsminister, schiebt das auf Patriotismus und Vaterlandsliebe. In Wirklichkeit sind wohl dieselben Mechanismen verantwortlich, die überall am Wirken sind, wo junge Männer lieber in den Kampf ziehen, als sich zuhause überflüssig zu fühlen: Die wachsende Arbeitslosigkeit treibt der US-Armee die Jungs in die Hände. Ich bin mir sicher: Gäbe es in Palästina Vollbeschäftigung, hätten wir keine Selbstmordattentäter. Hätten die afghanischen Jugendlichen eine andere Zukunft vor Augen als die, nicht zu wissen, wohin mit ihrer Energie und wie eine Existenz aufbauen, würden sie sich nicht so einfach von den Taliban rekrutieren lassen. Sicher gibt es auch solche, die sich tatsächlich dem Patriotismus verschrieben haben und sich zum Kämpfen geboren fühlen. Aber die allermeisten, davon bin ich überzeugt, wollen einfach nur eine Zukunft und wissen nicht, wohin mit ihrer Kraft.
Übrigens: 22.000 Dollar kosten die USA die Anwerbung eines Rekruten. Das Geld wäre besser in Bildung für die jungen Männer investiert.

Samstag, Oktober 10, 2009

Schule im 21. Jahrhundert - von gestern?

Im September wurde mein Sohn eingeschult. Schon eigenartig, dieses Gefühl, sein Kind in die Obhut des Staates zu geben. Denn nun ist er bis nachmittags in einer anderen Welt, zu der ich keinen Zugang habe. Nur bei den Hausaufgaben bekomme ich kleine Einblicke. Vorgezeichnete Bilder müssen ausgemalt werden. Und Buchstaben nachgezeichnet. Kreativität, so scheint es, ist hier nicht mehr gefragt (wie das noch im Kindergarten der Fall war), es geht darum, möglichst rasch genormte Ergebnisse zu erbringen. Langweilig sei dieses endlose Buchstaben-Malen, meint mein Sohn prompt, und er vermisse das Basteln. Außerdem sei die Schule ganz schön lang - man sitze ja die ganze Zeit nur rum. Und die Pausen zu kurz. In der Tat sieht der Stundenplan Bewegung nur noch an zwei Tagen vor - Sportunterricht, jeweils für 45 Minuten.

Es ist schon verwunderlich. Da hat die moderne Forschung längst bestätigt, wie wichtig Bewegung fürs Lernen und die Ausbildung der Kreativität für den späteren Erfolg sind - und in der Grundschule wird weiterhin nach Schema F unterrichtet. Kinder, die eben noch voll im Spiel- und "Begreif"alter waren, werden plötzlich an Tische gesetzt und müssen Buchstaben nachzeichnen. Mit einem Mal zählt nur noch der Intellekt, so scheint es, der Kopf - die anderen Glieder, die in diesem Alter mindestens ebenso wichtig sind, werden hintenan gestellt. Dazu passt auch, dass man in der Mittagspause der "verlässlichen Grundschule" Milchbrötchen, Cornflakes und süße Säfte verabreicht. All die Bemühungen um eine gesunde, zuckerarme Ernährung, die man bis hierhin vielleicht erfolgreich umgesetzt hat, werden in staatlichem Auftrag torpediert. Meine Kolleginnen lächeln: Warte nur, bis er ins Gymnasium kommt. Dort, so der Konsens, geht der Wahnsinn erst richtig los mit überfüllten Lehrplänen, Stress und Hausaufgaben, die selbst gebildeten Eltern zu hoch sind.
Schule - da zeigt sich, wo wir stehen (geblieben sind).

Montag, September 21, 2009

Wen wählen?

Ich bin einer dieser unentschlossenen Wechselwähler. Früher waren es immer Die Grünen. Dass ich sie dieses Mal nicht mehr wählen will, liegt daran, dass ich etwas ändern möchte und dass Die Grünen seit ihrer Zeit mit Schröder und Joschka Fischer irgendwie zur etablierten Partei geworden sind. Alles, was mir zu ihnen einfällt, ist das Dosenpfand. Das ich gut finde, weil es richtig gegen alle Winde durchgesetzt wurde und Trittin Ärger in Kauf nehmen musste - aber zu all den Dingen, die mir am Herzen liegen, habe ich von den Grünen in den letzten Jahren wenig gehört. Umweltpolitik ist ihr Ding, klar, und Soziale Gerechtigkeit, und Frieden und und. Aber mir fehlt der Kampfeswille, der notwendig wären, irgendjemanden aufzurütteln - gegen den Einsatz in Afghanistan, gegen die Abwrackprämie, für die Doppelte Staatsbürgerschaft. Sie riskieren nichts, sind zu sehr mit sich selber beschäftigt. Sind irgendwie zur Feigenblatt-Partei geworden. Man hat das Gefühl, wenn man Grün wählt, kann man ein gutes Gewissen haben, aber es läuft ansonsten alles so weiter wie bisher.

Die Linken treten da schon etwas frischer und radikaler auf. Das wäre endlich mal ein heilsamer Schock in Deutschland, wenn die Linken plötzlich richtig stark würden, sagen wir mal: die SPD in die Hinterbänke drängen würden. Und eigentlich geht es mir um so einen Schock. Denn ich möchte, dass nicht nur die Politik sich ändert, sondern auch am politischen System sich etwas ändert. Dass mehr direkte Demokratie eingeführt wird. Dass man nicht mehr nur irgendwelche Parteien wählt, und die dann irgendwelche Köpfe an die Regierungsbank setzen, die sich durch die Instanzen nach oben gearbeitet haben und dort so abgeschliffen ankommen, dass sie keinen Satz mehr über die Lippen bekommen, der nicht TV-taugliche PR ist. Jawohl: Ich will, dass auch in Deutschland ein Obama-Faktor möglich ist.

Die Linken sind mir aber zu sehr die "Ich zeig's der SPD Partei" eines Oskar Lafontaine, und "links" ist für mich ein Konzept aus dem vergangenen Jahrhundert. Damit kann und will ich mich nicht identifizieren.

Gar nicht zu wählen wäre ein Weg, der einen heilsamen Schock hervorrufen könnte, wenn sehr viele zu dem Schluss kämen, konsequent zu sein und zu zeigen, dass die Politik keiner der Regierungsparteien dem entspricht, wofür sie sich entscheiden würden. "Jede Stimme zählt", heißt es überall (und es ist klar, dass die Parteien scharf auf jede Stimme sind und dieses Mantra eifrig verbreiten helfen) - aber damit zählt auch jede Stimme, die nicht abgegeben wird. 70 Prozent Nicht-Wähler - das wäre doch eine Aussage. Und zwar eine stärkere, als wenn die Stimmen auf chancenlose Splitterparteien verteilt würden.

Es wäre auch ein Protest gegen ein System, das sich Demokratie nennt, dem Bürger aber lediglich einmal in vier Jahren die Möglichkeit einräumt, sein Kreuzchen unter eine Partei zu machen - und die macht dann den Rest (ich rede nicht von der kommunalen Ebene - dort funktioniert das besser). Das demokratische System, das 1949 als Provisorium eingeführt wurde, zu reformieren - auf diese Idee wollen die Parteien natürlich nicht kommen. Denn damit rüttelten sie an ihrer eigenen Machtposition.

Kurzzeitig zog ich die Piratenpartei in Betracht. Wenn die in den Bundestag einzögen, auch mit wenigen Mandaten, könnte der Laden zumindest ein wenig aufgemischt werden. Und auch wenn nicht, allein ihr phönixhafter Aufstieg ist ein Zeichen dafür, dass es in Deutschland eine wachsende Gruppe von Menschen gibt, die sich zumindest auf einem Gebiet, nämlich dem der "digitalen Bürgerrechte", nicht mehr durch die Schäubles und Vonderleyens bevormunden lassen wollen. Dieses Zeichen könnte eine Stimme wert sein, denn es ist ein wichtiges Zeichen. Das Interview ihres stellvertretenden Vorsitzenden mit der Jungen Freiheit hat mir aber doch die Augen geöffnet ob der grenzenlosen Naivität vieler dieser "Digital Natives". Ich werde mir ihr Programm nochmal genauer anschauen und sehen, wer sonst noch bei ihnen mitrudert.

Zeitweise erwog ich sogar, die SPD zu wählen. Aus Mitleid oder Solidarität mit dieser alten Arbeiterpartei, die doch stets das Gute will, und dann aber einen Schröder vor den Karren spannt und jetzt einen Steinmeier. Der in der ARD-Dokumentation als durchaus vernünftiger Politiker mit sozialem Gewissen (jedenfalls gab er als Student den Kids aus der Nachbar-WG Nachhilfe) und angenehm unkriegerischem Gehabe (er macht den Gegner nicht fertig) geschildert wurde. Allerdings habe ich ihm die Sache mit Murat Kurnaz nie verziehen. Ich habe ihm das als Feigheit ausgelegt, als Mangel an Mut oder auch Mangel an Interesse, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Vielleicht auch als Entfernung des Profi-Politikers von der Realität des "kleinen Mannes". Während Schröder von den Podesten unter Beifall das Anti-Kriegs-Deutschland verkündete, verhinderte Steinmeier, dass ein unschuldig inhaftierter Deutscher ausländischer Abstammung aus Guantanamo frei kam. Für mich war das kein Detail.

Wer bekommt nun meine Stimme?
Ich werde noch einmal in mich gehen müssen.

Donnerstag, September 17, 2009

München, Velbert, Wahnsinn

Gerade habe ich eine halbe Stunde lang meinen sechs Monate alten Sohn auf dem Balkon auf- und abgetragen. Zum Einschlafen. Jetzt Rückenschmerzen. Die kleine Tochter schläft endlich. Sie ist völlig aufgeregt wegen ihrer Einschulung und wollte undbedingt noch mit der Oma telefonieren, nachdem alle Schlaflieder schon gesungen waren. Was für ein liebenswertes, störrisches, gnadenlos selbsbezogenes, herzensgutes Persönchen!

Und was für ein Wahnsinn, sich vorzustellen, dass sie später vielleicht einmal Opfer eines Menschen wird, der sie halb tot prügelt und dann in einen Gulli steckt. Oder Augenzeuge wird, wenn zwei jugendliche Schläger einen Mann zu Tode treten, der sie beschützen wollte. Wenn ich von solchen Fällen höre, fallen mir zuerst die zerstörten Leben der Eltern ein. Jahrelang haben sie, wenn sie gute Eltern waren, ihr eigenes Leben hingegeben für ihre Söhne und Töchter, haben sich dabei unentrinnbar verzahnt mit diesen jungen, heranwachsenden Leben, haben sich verletzbar gemacht indem sie ihr eigenes Sein zu diesem Gefüge namens Familie verschmolzen haben. Und dann kommt so ein kranker Idiot und macht alles zunichte.

Ich schreibe hier bewusst "kranker Idiot". Ich weiß, dass auch diese schlägernden Jugendlichen und mordenden Irren irgendwann einmal hilflose kleine Kinder waren, die vielleicht ein müder Vater zum Einschlafen auf dem Arm getragen hat. Was für ein Vater das war, darüber will ich mir kein Urteil anmaßen. Und was schief gelaufen ist, spielt in dem Moment für mich keine Rolle mehr, wo einer sich dafür entscheidet, einen anderen zu zerstören. Die Schuld, die einer mit einer solchen Tat auf sich lädt, ist so mannigfach und unendlich, dass sie mit nichts zu rechtfertigen und nie wieder abzuwaschen ist. Früher dachte ich da anders, aber heute gibt es für mich Leben, die verwirkt sind. Dahinter mögen arme Schweine, kranke Idioten stecken - aber nur bis zu dem Moment, in dem sie die Entscheidung für eine solche Tat umsetzen.

Ich will mir auch nicht anmaßen zu entscheiden, was mit diesen Menschen geschehen sollte. Und natürlich weiß ich um die Spirale, die dorthin führt - so manche Eltern, die man im Umgang mit ihren Kindern draußen in freier Wildbahn beobachten kann, muten einem wie fahrlässige Handwerker der zukünftigen Mordmaschinen an, selbst Täter, indem sie ihre Kinder demütigen, ohnmächtig machen, verletzen. Ein pauschales Urteil verbietet sich aber. Mancher Amokläufer ist vielleicht wirklich nur krank.

Man wünscht sich heimlich zurück in alte Kulturen, wo solche Menschen auf irgendeiner Insel ausgesetzt und sich selbst überlassen wurden. Heute gibt es Anwälte, die ihr Geld damit verdienen, die Täter möglichst glimpflich davon kommen zu lassen. Das ist ein kultureller Fortschritt. Alles andere wäre Barbarei, denn längst leben wir nicht mehr in alten Kulturen im Einklang mit der Natur, die grausam ist. Und doch wünscht man sich dorthin.