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Denk Tank

Gehirnschlacke und Gedankenmüll von Roland Bart

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Hin und wieder muss es einfach sein: Eine Beobachtung löst einen Gedanken aus, der sich wie eine Wolke im Kopf verbreitet und sich nicht wieder verflüchtigt, bevor er nicht in irgendeiner Weise geäußert ist. Und ich denke viel. Eigentlich ständig. (Auch wenn ich nur sehr selten Zeit habe, diese Gedanken zu formulieren). Ich bin wie ein Besucher, ein Tourist von einem anderen Stern, der nicht anders kann als zu beobachten, nachzudenken und sich immer wieder aufs Neue über Alltäglichkeiten zu wundern, darüber, wie wir leben in unserem kleinen Biptop called Planet Earth. Und wer bin ich? Hab ich ja eben gesagt: Ein Tourist von einem anderen Stern.

Dienstag, Juli 21, 2009

Dass ich alt werde, merke ich an...

...Twitter. Bisher war ich dem Internet positiv aufgeschlossen, fand die Möglichkeiten faszinierend, rund um den Globus zu kommunizieren, selbst zu publizieren und die wildesten Nischen aufzutun. Wenn ich mich in den Kanälen der Digital Natives tummelte - Facebook, Youtube, Myspace - und statt vor dem Fernseher die Abende vor meinem iPod Touch verbrachte, dann nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus einer geradezu jugendlichen Begeisterung - ich war einer der ihren. Alt werden definierte sich für mich bisher als der Zeitpunkt, an dem die Lebenskultur der Jüngeren an der eigenen Lebenskultur, die ja auch einmal die der Jugend war, vorbeizieht; wenn diese jüngere Lebenskultur mit einem Mal den Ton angibt und dieser Ton in den eigenen Ohren nur noch ein Missklang ist.

Bisher konnte ich in weiten Bereichen mithalten. Mit Twitter ist es nun soweit, dass sich Unwillen und Abwehr in mir breit machen. Natürlich twittere ich selbst und nutze Twitter. Erkenne durchaus - darum kann ich Twitter auch nicht als Modeerscheinung abtun - dass dieser Dienst die Nutzungsweise des Internet verändert. Bin fasziniert: Davon, dass mir via Twitter Informationen vor die Füße fallen, auf die ich bei der üblichen Recherche auf den einschlägigen Websites und Blogs nie so rasch gestoßen wäre. Davon, dass ich diesen Informationsfluss ganz individuell anpassen und konfigurieren kann und dennoch Trends schneller erfasse als Spiegel Online: wenn mir drei meiner Quellen denselben Hinweis auf einen Artikel oder eine Information geben, weiß ich, dass etwas im Busch ist. Ich bin auch fasziniert davon und geradezu süchtig danach, wie einfach und schnell Twitter ist. In wenigen Augenblicken habe ich meinen Twitter-Feed mit dem Auge gescannt und bin auf dem Laufenden. Je öfter ich dies tue, desto weniger Zeit benötige ich dafür. Am liebsten wäre ich always online on Twitter.

Und hier hört der Spaß auf. Always online on Twitter? Ich stecke den Kopf aus der Tür und sehe meine Familie draußen auf der Veranda. Es ist Sommer. Die Sonne scheint, meine Kinder tollen herum, meine Frau unterhält sich mit der Nachbarin. Ich lese auf meinem iPod Touch einen Artikel im britischen Guardian über Twitter. Zweifel überkommen mich. Was hat das, was ich in Twitter finde und für so wichtig halte, mit meiner Lebenswelt da draußen zu tun? Im Twitterversum ist ein Exklusiv-Interview mit den Twitter-Machern, das erste Twitcam-Video des Videopunk Markus Huendgen oder auch die Diskussion um Zensursula relevant. Ein Meter von meinem iPod entfernt aber tut sich eine andere Welt auf, mit anderen Regeln und anderen Schwerpunkten. Meine Tochter will Memory spielen. Das sind kleine, auf quadratischen Kartons aufgeklebte Bilder von Schmetterlingen und Katzen. Memory!

Twitter zwingt uns zum "Always-on". Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass ich etwas verpasse, wenn ich offline bin. Denn sobald ich mich wieder einklinke, waren da Diskussionen am Laufen, sind da wieder so viele wichtige Links, die Matthias Heil gepostet hat, hat das Handelsblatt wieder Exklusiv-Meldungen abgeschossen, ist so viel passiert, als habe sich die Welt ohne mich weitergedreht. Das kann zu einem dominierenden Gefühl werden: Dabei sein, um nicht abgehängt zu werden.

Ich empfinde dieses Gefühl als eine Überforderung. Weil ich meine anerzogene Gründlichkeit nicht ablegen kann. Weil ich Multitasking nicht wirklich beherrsche: Immer noch muss ich das Radio ausschalten, um einen Text zu lesen.

Ein (gleichaltriger) Freund gestand mir kürzlich, dass ihn der E-Mail Verkehr in der Firma überfordere: Jedes PDF-Dokument, das an ihn weitergeleitet werde, lese er gründlich. Das koste viel zu viel Zeit und sei auch nicht produktiv, aber man erwarte zugleich, dass er das Dokument zur Kenntnis genommen habe. Ich weiß, dass junge Menschen, die mit dem Internet und seiner Informationsflut aufwachsen sind, damit keine Problem haben. Sie entwickeln eine völlig andere Art der Informationsverarbeitung. Gründliches Durchlesen ist ein Relikt aus unseren Jugendtagen, als man noch Schülerzeitungen auf Papier druckte. Die Digital Natives scannen Information, picken Aspekte heraus, verarbeiten diese weiter und speisen sie wieder in den Kreislauf ein. Sie haben das Always-on verinnerlicht. Mich stresst es. Ich merke, wie sich Tendenzen in mir breit machen, den Computer auszustöpseln, mich der Informationsgesellschaft zu verweigern. Stattdessen mit meinen Kindern auf der Veranda zu spielen. Memory. Oder Schwarzer Peter. Solange sie keinen Gameboy anschleppen.

Und mit einem Mal fühle ich mich alt.

1 Comments:

Anonymous Matthias Heil said...

Meine Tochter (3) ist momentan ganz verrückt nach "Chaos im Kinderzimmer", mein Sohn (6) spielt gerne Kniffel mit mir... Twitter ist Luxus & Erquickung. Gegen die Always-on-Versuchung hilft nur effektives Quellen-Management und die Bereitschaft, auch einmal etwas verpassen zu können. Twittern ist wie "den Kopf in den Bach stecken" - zuviel davon behindert das für humanoide Wesen nicht unwichtige Atmen... Kopf hoch, frisch bleiben!)

1:06 AM  

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