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Denk Tank

Gehirnschlacke und Gedankenmüll von Roland Bart

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Hin und wieder muss es einfach sein: Eine Beobachtung löst einen Gedanken aus, der sich wie eine Wolke im Kopf verbreitet und sich nicht wieder verflüchtigt, bevor er nicht in irgendeiner Weise geäußert ist. Und ich denke viel. Eigentlich ständig. (Auch wenn ich nur sehr selten Zeit habe, diese Gedanken zu formulieren). Ich bin wie ein Besucher, ein Tourist von einem anderen Stern, der nicht anders kann als zu beobachten, nachzudenken und sich immer wieder aufs Neue über Alltäglichkeiten zu wundern, darüber, wie wir leben in unserem kleinen Biptop called Planet Earth. Und wer bin ich? Hab ich ja eben gesagt: Ein Tourist von einem anderen Stern.

Montag, September 21, 2009

Wen wählen?

Ich bin einer dieser unentschlossenen Wechselwähler. Früher waren es immer Die Grünen. Dass ich sie dieses Mal nicht mehr wählen will, liegt daran, dass ich etwas ändern möchte und dass Die Grünen seit ihrer Zeit mit Schröder und Joschka Fischer irgendwie zur etablierten Partei geworden sind. Alles, was mir zu ihnen einfällt, ist das Dosenpfand. Das ich gut finde, weil es richtig gegen alle Winde durchgesetzt wurde und Trittin Ärger in Kauf nehmen musste - aber zu all den Dingen, die mir am Herzen liegen, habe ich von den Grünen in den letzten Jahren wenig gehört. Umweltpolitik ist ihr Ding, klar, und Soziale Gerechtigkeit, und Frieden und und. Aber mir fehlt der Kampfeswille, der notwendig wären, irgendjemanden aufzurütteln - gegen den Einsatz in Afghanistan, gegen die Abwrackprämie, für die Doppelte Staatsbürgerschaft. Sie riskieren nichts, sind zu sehr mit sich selber beschäftigt. Sind irgendwie zur Feigenblatt-Partei geworden. Man hat das Gefühl, wenn man Grün wählt, kann man ein gutes Gewissen haben, aber es läuft ansonsten alles so weiter wie bisher.

Die Linken treten da schon etwas frischer und radikaler auf. Das wäre endlich mal ein heilsamer Schock in Deutschland, wenn die Linken plötzlich richtig stark würden, sagen wir mal: die SPD in die Hinterbänke drängen würden. Und eigentlich geht es mir um so einen Schock. Denn ich möchte, dass nicht nur die Politik sich ändert, sondern auch am politischen System sich etwas ändert. Dass mehr direkte Demokratie eingeführt wird. Dass man nicht mehr nur irgendwelche Parteien wählt, und die dann irgendwelche Köpfe an die Regierungsbank setzen, die sich durch die Instanzen nach oben gearbeitet haben und dort so abgeschliffen ankommen, dass sie keinen Satz mehr über die Lippen bekommen, der nicht TV-taugliche PR ist. Jawohl: Ich will, dass auch in Deutschland ein Obama-Faktor möglich ist.

Die Linken sind mir aber zu sehr die "Ich zeig's der SPD Partei" eines Oskar Lafontaine, und "links" ist für mich ein Konzept aus dem vergangenen Jahrhundert. Damit kann und will ich mich nicht identifizieren.

Gar nicht zu wählen wäre ein Weg, der einen heilsamen Schock hervorrufen könnte, wenn sehr viele zu dem Schluss kämen, konsequent zu sein und zu zeigen, dass die Politik keiner der Regierungsparteien dem entspricht, wofür sie sich entscheiden würden. "Jede Stimme zählt", heißt es überall (und es ist klar, dass die Parteien scharf auf jede Stimme sind und dieses Mantra eifrig verbreiten helfen) - aber damit zählt auch jede Stimme, die nicht abgegeben wird. 70 Prozent Nicht-Wähler - das wäre doch eine Aussage. Und zwar eine stärkere, als wenn die Stimmen auf chancenlose Splitterparteien verteilt würden.

Es wäre auch ein Protest gegen ein System, das sich Demokratie nennt, dem Bürger aber lediglich einmal in vier Jahren die Möglichkeit einräumt, sein Kreuzchen unter eine Partei zu machen - und die macht dann den Rest (ich rede nicht von der kommunalen Ebene - dort funktioniert das besser). Das demokratische System, das 1949 als Provisorium eingeführt wurde, zu reformieren - auf diese Idee wollen die Parteien natürlich nicht kommen. Denn damit rüttelten sie an ihrer eigenen Machtposition.

Kurzzeitig zog ich die Piratenpartei in Betracht. Wenn die in den Bundestag einzögen, auch mit wenigen Mandaten, könnte der Laden zumindest ein wenig aufgemischt werden. Und auch wenn nicht, allein ihr phönixhafter Aufstieg ist ein Zeichen dafür, dass es in Deutschland eine wachsende Gruppe von Menschen gibt, die sich zumindest auf einem Gebiet, nämlich dem der "digitalen Bürgerrechte", nicht mehr durch die Schäubles und Vonderleyens bevormunden lassen wollen. Dieses Zeichen könnte eine Stimme wert sein, denn es ist ein wichtiges Zeichen. Das Interview ihres stellvertretenden Vorsitzenden mit der Jungen Freiheit hat mir aber doch die Augen geöffnet ob der grenzenlosen Naivität vieler dieser "Digital Natives". Ich werde mir ihr Programm nochmal genauer anschauen und sehen, wer sonst noch bei ihnen mitrudert.

Zeitweise erwog ich sogar, die SPD zu wählen. Aus Mitleid oder Solidarität mit dieser alten Arbeiterpartei, die doch stets das Gute will, und dann aber einen Schröder vor den Karren spannt und jetzt einen Steinmeier. Der in der ARD-Dokumentation als durchaus vernünftiger Politiker mit sozialem Gewissen (jedenfalls gab er als Student den Kids aus der Nachbar-WG Nachhilfe) und angenehm unkriegerischem Gehabe (er macht den Gegner nicht fertig) geschildert wurde. Allerdings habe ich ihm die Sache mit Murat Kurnaz nie verziehen. Ich habe ihm das als Feigheit ausgelegt, als Mangel an Mut oder auch Mangel an Interesse, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Vielleicht auch als Entfernung des Profi-Politikers von der Realität des "kleinen Mannes". Während Schröder von den Podesten unter Beifall das Anti-Kriegs-Deutschland verkündete, verhinderte Steinmeier, dass ein unschuldig inhaftierter Deutscher ausländischer Abstammung aus Guantanamo frei kam. Für mich war das kein Detail.

Wer bekommt nun meine Stimme?
Ich werde noch einmal in mich gehen müssen.

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