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Denk Tank

Gehirnschlacke und Gedankenmüll von Roland Bart

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Hin und wieder muss es einfach sein: Eine Beobachtung löst einen Gedanken aus, der sich wie eine Wolke im Kopf verbreitet und sich nicht wieder verflüchtigt, bevor er nicht in irgendeiner Weise geäußert ist. Und ich denke viel. Eigentlich ständig. (Auch wenn ich nur sehr selten Zeit habe, diese Gedanken zu formulieren). Ich bin wie ein Besucher, ein Tourist von einem anderen Stern, der nicht anders kann als zu beobachten, nachzudenken und sich immer wieder aufs Neue über Alltäglichkeiten zu wundern, darüber, wie wir leben in unserem kleinen Biptop called Planet Earth. Und wer bin ich? Hab ich ja eben gesagt: Ein Tourist von einem anderen Stern.

Samstag, April 04, 2009

Keiner hat die Vorahnung des Albtraums besser beschrieben...

...als Sándor Márai in "Die Nacht vor der Scheidung":

"Der Krieg wird wahrscheinlich so beginnen..." Es war ein Gewirr von Worten. Christoph horchte mit einem Mal nervös auf, als hätte er blitzartig etwas verstanden. Ganz plötzlich begriff er. Der Krieg begann immer damit, dass die Menschen in ihren Zimmern saßen, sich über ihre täglichen Sorgen, Hoffnungen und Wünsche unterhielten und plötzlich ließ jemand das Wort "Krieg" fallen. Daraufhin hörten sie nicht zu reden auf, sie starrten einander nicht in stummem Entsetzen an, sondern sie erwiderten in allen Tonarten mit natürlichem Tonfall das Wort "Krieg". Und sie redeten darüber, ob das möglich wäre und wann und in welchem Maße. So begann es immer."
Man kann "Krieg" durch "Katastrophe" ersetzen, dann passt die Beschreibung auch auf das Jetzt. Ich liege nachts oft wach und stelle mir vor: Wie reihum die Firmen pleite gehen, weil die Geschäfte ausbleiben, die Freunde und Verwandten ihre Jobs verlieren, wie irgendwann nur noch jene morgens aus dem Haus gehen, die vom Staat bezahlt werden, aber die Geldentwertung auch ihre Einkünfte verschlingt. Wie wir alle noch mit unseren Opels und VWs herumfahren, die wir dank Abwrackprämie gerade erst neu erstanden haben und es gar nicht glauben können, dass dies uns passiert, bis wir uns das Benzin aus den Tankstellen nicht mehr leisten können. Wie mit einem Mal real ist, was vorher als utopisches Szenario an die Wand gemalt wurde, ironisch verschärft, um ihm die Schärfe zu nehmen. Und jetzt Wirklichkeit ist, so wie der eigene Tod irgendwann und unweigerlich Wirklichkeit ist.

Immer können wir uns nicht vorstellen, dass es uns passiert, bis es uns passiert. Wir plagen uns mit Entscheidungen, auf welche Schule wir unsere Kinder schicken sollen - und können uns nicht vorstellen, dass diese Entscheidungen vielleicht bald vollkommen irrelevant sind. Ich versetze mich in einen Familienvater zu Beginn des zweiten Weltkrieges, einen jüdischen Arzt vielleicht. Die Situation ist wahrscheinlich genau wie die von Márai geschilderte. Ich bin dieser Vater. Ich sehe meine beiden Kinder vor mir. Unvorstellbar, dass wir in einem Jahr vielleicht alle am Rande unserer Exitenz sein werden. "Das geht doch nicht", denkt man, "da gibt es ja Mechanismen" - das Sozialamt fällt einem ein. Dass all das außer Kraft gesetzt werden könnte, können wir uns nicht vorstellen. Und doch leben wir gerade jetzt in einem Augenblick, welcher der Auftakt dazu sein könnte, und wir ahnen es.

"Es gibt die Möglichkeit, dass dies alles eine ausgewachsene Rezession ist, oder dass es in eine Katastrophe ähnlich der um 1930 mündet. Ich tendiere mittlerweile zu letzerer Einschätzung",
sagte ein nüchterner Wirtschaftswissenschaftler kürzlich in einer Diskussionsrunde in SWR2. Und tat, als würde er über etwas reden, das ganz, ganz fern von ihm selbst sei. Überall wird darüber geredet, als könne man es daruch bändigen. Als verliere es seinen Schrecken, wenn man es in nüchterne Worte packt. So beginnt es immer.
Ob er Kinder hat?