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Denk Tank

Gehirnschlacke und Gedankenmüll von Roland Bart

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Hin und wieder muss es einfach sein: Eine Beobachtung löst einen Gedanken aus, der sich wie eine Wolke im Kopf verbreitet und sich nicht wieder verflüchtigt, bevor er nicht in irgendeiner Weise geäußert ist. Und ich denke viel. Eigentlich ständig. (Auch wenn ich nur sehr selten Zeit habe, diese Gedanken zu formulieren). Ich bin wie ein Besucher, ein Tourist von einem anderen Stern, der nicht anders kann als zu beobachten, nachzudenken und sich immer wieder aufs Neue über Alltäglichkeiten zu wundern, darüber, wie wir leben in unserem kleinen Biptop called Planet Earth. Und wer bin ich? Hab ich ja eben gesagt: Ein Tourist von einem anderen Stern.

Mittwoch, Mai 24, 2006

Zum ersten Mal seit ich 17 war...

habe ich nach einem Film geheult wie ein Schlosshund. Es war "Sofie Scholl" von Marc Rothemund. Vielleicht gerade deshalb: Weil er eine Saite angerührt hat, die seit damals ganz leise in mir schwingt. Sie hat mit einer Sehnsucht nach dem "richtigen Leben" zu tun. Oder exakter: nach dem Mut zum richtigen Leben. Der Film traf direkt ins Zentrum dieser Idee. Da ist ein junger Mensch bereit, für seine Überzeugung zu sterben. Für mich handelt der Film nicht in erster Linie von Nazis und deutscher Geschichte, sondern allein um diese junge Frau. Rothemund hat das gut umgesetzt - wie selbst der Gestapo-Mann im Verhör beeindruck ist von diesem Rückgrat, wie sein Respekt vor Sofie Scholl wächst Kraft ihrer Charakterstärke, ihres Mutes.

Diese "richtige Idee"? Nein, ich halte sie nicht für eine rein subjektive Sache, die abhängig ist von kulturellem Kontext und Sozialisation. Da bin ich eins mit Sofie Scholl in der Gewissheit, dass es für alle Menschen religions- und kulturübergreifend einen verbindlichen ethischen Kanon gibt, an dessen oberster Stelle das gleiche Daseinsrecht für alle steht. Und damit die Toleranz gegenüber dem Anderen.

Dass dies nach wie vor, trotz aller Genozide und Holocausts der Vergangenheit, trotz aller Vergangenheitsbewältigung und tiefschürfender Bekenntnisse, im Großen und Ganzen nur Theorie ist, macht mich heute nicht weniger rasend als mit 17. Ein anderer Film, "We feed the World", ein Dokumentarfilm über die Zusammenhänge der industrialisierten Lebensmittelproduktion, bringt diese latente Wut wieder zum Kochen. Da wird Hunger produziert, Tod in Kauf genommen, Lebensgrundlagen zerstört, als gebe es lebenswertes und unlebenswertes Leben. Kein geplanter Mord wie bei den Nazis, aber ein kaltblütig einkalkulierter Kollateralschaden. Die realen Auswirkungen nicht weniger dramatisch: ein Toter pro Sekunde. Mindestens.

Lässt sich der Vergleich wirklich ziehen? Ich finde, ja. Und zwar auf der Ebene, wo es eine Verantwortlichkeit der einen gibt für das Elend der anderen. Was fehlt, sind die klaren Feindbilder, die SS-Schärgen, die Schuldigen. Die Verantwortlichkeit ist heute diffuser, es gibt nicht den großen bösen Drahtzieher, sondern nur ein falsches System, an dem alle beteiligt sind, dem sich keiner entziehen kann, gegen das man aber auch nicht kämpfen kann. Das richtige Leben im falschen - es wirkt so lächerlich heute. Auch darum habe ich geweint: weil ich mir so unendlich mickrig vorkam.