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Denk Tank

Gehirnschlacke und Gedankenmüll von Roland Bart

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Hin und wieder muss es einfach sein: Eine Beobachtung löst einen Gedanken aus, der sich wie eine Wolke im Kopf verbreitet und sich nicht wieder verflüchtigt, bevor er nicht in irgendeiner Weise geäußert ist. Und ich denke viel. Eigentlich ständig. (Auch wenn ich nur sehr selten Zeit habe, diese Gedanken zu formulieren). Ich bin wie ein Besucher, ein Tourist von einem anderen Stern, der nicht anders kann als zu beobachten, nachzudenken und sich immer wieder aufs Neue über Alltäglichkeiten zu wundern, darüber, wie wir leben in unserem kleinen Biptop called Planet Earth. Und wer bin ich? Hab ich ja eben gesagt: Ein Tourist von einem anderen Stern.

Montag, Juni 22, 2009

Und wenn es keinen Gott gibt?

Aber es ist genauso gut möglich, dass es gar keinen Weltgott gibt. Keinen Weltgeist, aus dem wir stammen und in den wir wieder eingehen. Keinen Reifeprozess hin zu etwas Vollkommenerem. Es ist absolut möglich, dass all dies nur Kreationen meines armen Gehirns sind, das etwas braucht, an dem es sich festhalten kann. Auch die Unendlichkeit ist kein Grund, an etwas Höheres oder zumindest eine Art Sinn oder Plan zu glauben. Die Unendlichkeit ist schlichtweg ein Konzept, das jenseits unserer menschlichen Vorstellungsmöglichkeiten liegt; darum vermuten wir dahinter etwas Göttliches. Das ist aber typisch Mensch: Was er nicht erfassen kann, hält er für das Werk eines höheren Wesens, das er aber nach seinen eigenen Vorstellungen kreiert - damit er wieder was hat, das er sich vorstellen kann.

Wenn wir akzeptieren, dass die Unendlichkeit - der Urknall und das, was davor war (z.B. ein anderes Universum, das imploidert ist, das Ganze ein einziges, pulsierendes Gebilde aus Zeit, Materie, aber ohne Anfang und Ende) - nehmen wir also an, wir würden dies als unerklärlich akzeptieren, ohne dahinter eine göttliche Hand zu suchen - wo würde der Gott sonst noch in dieser Welt eine Rolle spielen? Im Anbetracht der Unendlichkeit ist es kein Wunder mehr, dass die Erde entstanden ist und auf ihr Leben und aus diesem Leben der Mensch. Das war nur eine Frage der Zeit. Ich habe irgendwo einmal gelesen, die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Kombination von Molekülen bildet, die am Ende das Leben ermöglicht hat, wäre so groß wie jene, dass zufällig der Wortlaut der Bibel entsteht, wenn man eine Kiste mit Buchstaben ausschüttet. Ja und? In der Unendlichkeit ist keine Wahrscheinlichkeit zu klein.

Vielleicht sind wir also tatsächlich nur eine Laune der Natur. Vielleicht ist diese gesamte Flora und Fauna nur eine vorübergehende Phase - Milliarden Jahre war auf diesem Planeten nur Wasser und Staub, Milliarden Jahre liegen noch vor ihm bis die Sonne irgendwann ihren Geist aufgibt. Was, außer unserer Selbstüberschätzung und unserem beschränkten Horizont, gibt uns Veranlassung, zu glauben, der Mensch sei eine Krone der Schöpfung - wo doch das, was er auf dem Planeten veranstaltet, eher für das Gegenteil spricht. Dass er wunderbare Werke der Kunst erzeugen kann, könnte als eine Art Gegenpol zu den Grausamkeiten und Abgründen gesehen werden, zu denen er fähig ist. Eine Art Kehrseite der Medaille. Er ist eben ein Wesen der Extreme. Diese Eigenschaft war vielleicht notwendig, damit er sich überhaupt behaupten konnte im Laufe der Evolution - vielleicht eine Fehlmutation, die ihn zunächst allen anderen Tieren überlegen machte, ihm am Ende aber die eigene Lebensgrundlage entzieht. Und seine Vorstellung eines Gottes (oder von Göttern) ist zugleich ein Zeichen seiner Selbstüberschätzung. Zumal er sich seinen Gott ja sehr gleich macht; je weiter in der Evolution wir kommen, desto mehr erhält er menschliche Züge - frühere Kulturen verehrten tierähnliche Götter oder die Sonne, die Griechen malten sich dann Jünglinge und schöne Frauen als Götter aus und wir glauben an einen Gott gewordenen Menschensohn und als seinen Vater einen alten Mann mit Bart.

Vielleicht bin ich also tatsächlich nur wie jedes andere Tier einer Art, die im Überschuss geboren werden, damit die Spezies erhalten werden kann, und die sich gegen die Artgenossen behaupten müssen. Und wenn ich es nicht schaffe, mich durchzusetzen, drückt mich irgendwann ein anderer aus der Bahn. Die Realtität kommt dem ja sehr nahe - wir verhalten uns ja in der Tat wie die Artgenossen, die überall und immer um die Vorherrschaft kämpfen. Überall gibt es zu viele von uns, immer müssen wir besser sein als die vielen anderen, die dieselben Ansprüche erheben - auf die Jobs, auf die Wohnungen, auf die Kindergartenplätze für unsere Kinder. Ihr Gott dient vielen nur als Doping, um sich sicherer und stärker zu fühlen - ein virtueller Rückhalt. Wer ihn hat, hat psychische Kraft und Durchhaltevermögen. Oder einen letzten Strohhalm, sofern er zu den Verlierern gehört. Wachsen am Elend und am täglichen Wahnsinn? Auch das, vielleicht, nur eine Selbstsuggestion. Denn die Vorstellung, dass es überhaupt keinen Grund gibt, hier zu sein, außer dem, mit seinem Scheitern anderen den Aufstieg zu ermöglichen, zieht einem den Boden unter den Füßen weg.

Donnerstag, Juni 18, 2009

Wer oder was ist Gott?

Gestern eine uralte Bekannte getroffen. Sie habe jetzt Gott gefunden, sagt sie. Einen unendlich gütigen Gott. Wenn immer mir jemand ins Gesicht hinein seinen Glauben an Gott bekennt, stelle ich ihm die Frage nach dem Ursprung des Bösen auf der Welt. Und ich will das wirklich wissen. Denn das Böse, besser gesagt: das unendliche Leid, das Menschen anderen Menschen antun, ist etwas, das ich nur schwer ertragen kann. Mein Gott müsste mir darauf eine Antwort geben.

Leider habe ich aber noch keinen Christen getroffen, der mir darauf eine Antwort geben konnte, die nicht wie eine Ausflucht klang nach dem Motto: Gott lässt sich intellektuell nicht erfassen. Meine Bekannte sagte, das Böse sei Sache des Teufels. Und: Gott habe den Menschen die Freiheit der Entscheidung gegeben zwischen dem Guten und dem Bösen. Bullshit. Gott ist doch kein Forscher, der Tierexperimente anstellt. Oder ein Psychopath, der mit der Welt, die er schöpft, seinen eigenen Kontrahenten erschafft, der seine Schöpfung verführt. Und der dann gütig und gut ist, wenn man sich für ihn entscheidet. Diese Idee ist zutiefst menschlich. Nein, mein Gott sieht anders aus.

Es gibt für mich keine Instanz, der wir irgendeine Verantwortung übermachen könnten. Also auch keinen Teufel, der für das Böse verantwortlch wäre. Es gibt auch keine Entscheidungsfreiheit zwischen Gut und Böse. Denn die Entscheidungsfreiheit würde schon wieder eine Instanz voraussetzen.

Die Welt ist Gott - wenn man dies so nennen möchte. Die Welt ist allerdings mehr als das, in dem sich unser irdisches Dasein abspielt. Dieses irdische Dasein ist eine Phase in einem Reifeprozess. Und das Leid, das uns auf dieser irdischen Welt begleitet, ist die Krankheit, die Krise, an der wir wachsen. Ein kranker Körper, der überall weh tut. Aber: Wie jede Krankheit ist auch diese ein Kartharsis-Prozess, eine Chance zum Wachstum. Ohne Krisen kein echtes Wachstum. Eine notwendige Phase für den Reifeprozess, den wir durchmachen müssen, so wie ein Jugendlicher seine Pupertät durchmachen muss, um Erwachsen zu werden. Eine Initiation für die nächste Phase sozusagen.

All das impliziert natürlich, dass diese "Welt" nur Teil eines größeren Ganzen ist; auch dieses größere Ganze nenne ich Welt - also auch das, was vorher war und nachher kommt. Das könnte man dann fast schon wieder Gott nennen, nur nicht im Sinne eines "höheren Seins", das über allem steht, sondern als einen Prozess hin zu einem höheren Sein. Sagen wir's mal so: Wir (= die Welt) sind auf dem Weg, Gott zu werden. Am Ende des gesamten Prozesses steht vielleicht eine Form des Daseins, die göttlich ist. Göttlich vielleicht im Sinne von geläutert, gereift, vollendet.

Dabei glaube ich nicht an parallel existierende "Welten" im Sinne eines Paradieses, einer Hölle und einer irdischen Welt. Auch nicht an ein Vorher und Nachher. Alles spielt sich im selben zeitlichen Kontinuum statt. Das heißt: Für jene, die tot sind, hat die zukünftige Phase begonnen, während die Lebenden sich noch in der irdischen Phase befinden.

In dieser irdischen Phase geht es um unsere geistige Entwicklung. Wenn wir sterben, zerfällt unser Körper und unser Geist wird frei - er geht über in so etwas wie einen Weltgeist, der uns aber schon jetzt umgibt. Durch Meditation und Wachheit können wir an diesem Weltgeist teilhaben - das ist vielleicht die Art von Erfahrung, die ein gläubiger Mensch meint, wenn er sagt, er könne Gott spüren oder erfahren.

Dieser Gott ist der Organismus unserer gesamten Welt. Ich stelle ihn mir tatsächlich vor wie ein Wesen, dessen unterschiedliche Bestandteile und Aggregatzustände wir Menschen, Tiere und Pflanzen sind (und das, was aus uns wird, wenn wir das irdische Leben verlassen). Eine Art Stoffwechsel. Auch wenn wir sterben, bleiben wir in diesem Organismus vorhanden, nur in einer anderen Form - als geistige Energie zum Beispiel.

In der Konsequenz heißt das, dass ich das Leid auf dieser Welt nicht ignorieren kann, sondern an ihm arbeiten muss. So wie ein kranker Mensch an seiner Krankheit arbeiten muss, auch wenn er weiß, dass er vielleicht nie gesund wird. Er darf sich vor allem nicht aufgeben. Er muss sie als Chance zum Wachstum begreifen. Die Krankheit der Welt ist auch meine Krankheit. Die Frage nach dem Sinn eines Strebens nach dem Guten erübrigt sich also. Ich arbeite an einer besseren Welt in dem Wissen, dass die Welt, für die ich arbeite, nicht in meinem irdischen Dasein erreicht werden kann.

Das bedeutet aber auch: Alles Leid, das ich anderen antue, tu ich mir selber an. Andere zu betrügen, zu übervorteilen, mich über sie zu erheben oder sie zu verletzen ist Handlung gegen mich selbst. Und das ist, was ich bei jenen, die sich Christen nenne, zugleich aber Macht und Geld besitzen, nie begriffen habe: Dass sie ihre Macht und ihr Geld nicht aus ganz egoistischem Interesse dafür einsetzen, diesen kranken (Welt) körper zu heilen - und damit sich selbst zu heilen.

Damit erklärt sich für mich das Unerklärliche dieses Erdendaseins ohne eine Erklärung. Es bedarf keiner Gründe. Keines Gottes oder Teufels. Wir sind Gott und Teufel in einem. Es gibt nur die Entscheidung, sich vor der Welt zu verschließen - oder den Reifeprozess auf sich zu nehmen. Das ist aber keine Entscheidung zwischen Gut und Böse, und die einzige Instanz, die hier im Spiel ist, sind wir selber.

Und nur so wird die Welt a better place. Nur so wird das, was wir als intellektuelle Fähigkeiten mitbekommen haben, und mit dem wie so viel Unsinn treiben, aber auch gigantische Entwicklungen vollziehen können (und das unterscheidet uns von den Tieren), in Geist umgewandelt. Und nur so werden wir die irdische Welt am Ende überwinden, im Sinne von Jesus Worten.

...ja, dann wäre das Paradies schon erreicht. Damit wäre aber auch diese Erdenwelt überlüssig geworden, und unsere Körper und Köpfe. Die sind ja nur Mittel zum Zweck. Und darum ist es aus meiner Sicht auch gar nicht schlimm, dass die Erden-Welt kein Paradies ist - es ist nicht ihre Aufgabe, eins zu sein. Mit diesem Wissen - oder Glauben - kann ich ruhig auf die Erden-Welt blicken, diese Phase der Welt durchschreiten und sie wie eine wichtige Lernerfahrung in mich aufnehmen. Und dabei leiden. Denn das Leiden gehört zu dieser Phase dazu. Und in der Tat glaube ich, dass wer nicht leidet an dieser Welt und an sich, sich ihr nicht wirklich geöffnet hat.