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Denk Tank

Gehirnschlacke und Gedankenmüll von Roland Bart

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Hin und wieder muss es einfach sein: Eine Beobachtung löst einen Gedanken aus, der sich wie eine Wolke im Kopf verbreitet und sich nicht wieder verflüchtigt, bevor er nicht in irgendeiner Weise geäußert ist. Und ich denke viel. Eigentlich ständig. (Auch wenn ich nur sehr selten Zeit habe, diese Gedanken zu formulieren). Ich bin wie ein Besucher, ein Tourist von einem anderen Stern, der nicht anders kann als zu beobachten, nachzudenken und sich immer wieder aufs Neue über Alltäglichkeiten zu wundern, darüber, wie wir leben in unserem kleinen Biptop called Planet Earth. Und wer bin ich? Hab ich ja eben gesagt: Ein Tourist von einem anderen Stern.

Samstag, September 17, 2005

Nach Führern...

...sehnen wir uns. Das ist nur allzumenschlich. Jesus und Kennedy, der Dalai Lama und Hitler, Allah und Gott: Führerfiguren, die wir uns aufbauen, damit sie uns "den rechten Weg weisen", "den Karren aus dem Dreck ziehen" oder einfach nur eine Projektionsfläche für unsere Sehnsüchte und Hoffnungen liefern. Nie war es ein Kollektiv, nie eine Bürokratie, die dieses Kriterium erfüllte. Es muss nicht immer gleich Hitler oder Stalin sein, es genügt schon das Charisma der Autorität, das uns von unserer eigenen Ratlosigkeit entlastet. Dabei kommt es gar nicht so sehr darauf an, was der Führer entscheidet, sondern vor allem, dass er Entscheidungen fällt, Wege beschreitet, führt. Kennedy hat reichlich Mist gebaut, die gescheiterte Invasion Kubas in der Schweinebucht, die Eskalation des Vietnam-Krieges; dennoch ist er als einer der größten Führer der Vereinigten Staaten in die Geschichte eingegangen - weil er Entscheidungen fällte. Ob diese richtig oder falsch waren, spielt da keine Rolle. Der Führer muss den Geführten, die ihn zum Führer gemacht haben, lediglich das Gefühl geben, sie zu führen. Wenn er das beherrscht, fühlen sie sich automatisch gut geführt. Was nicht unbedingt etwas mit der tatsächlichen Qualität der Entscheidungen zu tun haben muss.
Interessant übrigens der Fall des Japanischen Premiers Junichiro Koizumi, genannt "der Samurai": Der Exzentriker hat Führungsstärke bewiesen, indem er sich gegen alle Widerstände aus den eigenen Reihen dem Kampf gegen die bürokratischen Windmühlen verschrieben hat. Allein der daraus resultierende psychologische Effekt sorgt für Aufschwung: Japanische Konzerne investieren wieder im eigenen Land, seit 2003 entstehen monatlich 30.000 neue Jobs im privaten Industrie- und Dienstleistungsbereich, die Arbeitslosenquote ist von sechs auf vier Prozent gefallen.
Unter Helmut Kohl ging es den Deutschen - subjektiv - gut: weil Kohl seine Autorität so zu installieren verstand, dass keinen Widerspruch neben ihm bestehen konnte, außer vielleicht von Seiten des Führers des Freistaats Bayern, FJ Strauß. Zu Gerhard Schröders Verhängnis wurde die demokratische Grundüberzeugung seiner Partei, für die er einzustehen hatte. Demokratie und Führerschaft - ein Widerspruch. Die Führerfigur Schröder wurde von seiner eigenen Partei systematisch demontiert, und wenn morgen Wahl wäre, würde eine Mehrheit den Mann Schröder wählen, nur eine Minderheit aber seine Partei.
Morgen ist Wahl. Eine schwierige Wahl, denn auch die Opposition hat keine Führernatur zu bieten. Sie ist in sich zerstritten und demontiert die Kanzlerkandidatin bevor diese überhaupt zur Kanzlerin gekrönt ist: Das deutsche Volk leidet. Guidance (der englische, entschärfte Begriff für Führung) ist nicht in Sicht. Keiner, der uns das Gefühl gibt: "Es wird weh tun, aber er wird den Karren aus dem Dreck ziehen." Wir sind ja zu Opfern bereit - wir wollen nur das Gefühl haben, dass unsere Opfer einen Sinn hatten, und nicht aus den Reihen derselben Partei einen Tag später hören, dass die letzte Reform ein Schuss in den Ofen war. "Wen sollen wir nur wählen?" fragen mich ratlose Freunde. Mir fällt die Antwort leicht: "Die Opposition natürlich". Denn nur dort entsteht, was die Hoffnung am Leben erhält: Die Utopie.

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